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Text veröffentlicht in Drettmann-Magazin
1/2008 |
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YACHTING TAG
An Bord einer Elegance 76'
Die Mission lautet, eine Elegance 76 von der Werft in Bremen nach
Hamburg in den City Sporthafen zu überführen. Eine erfahrene
Mannschaft wird schnell zusammen gerufen und am nächsten Morgen
stehen wir mit Proviant und Karten vor der Elegance 76: elegant
- eben Elegance - und "echt Power" ausstrahlend. Die Augen
meiner Mitfahrer beginnen zu leuchten.
Nachdem wir unsere Sachen an Bord gebracht und alle wichtigen Informationen
eingeholt haben, starten wir die Motoren. Was für ein Sound!
Stattliche 1.300 PS brummen aus dem Auspuff - und das gleich zweimal.
Wir müssen ablegen, denn für heute Nachmittag hat der
Deutsche Wetterdienst das Aufkommen eines schweren Sturms mit Böen
bis zu Bft 9 angekündigt - und wir müssen ja bekanntlich
über die Deutsche Bucht an Nordergründe vorbei, wo vor
kurzer Zeit ein Fischerboot kenterte und die Besatzung ertrunken
ist.
Zunächst haben wir die Schleuse am Weserwehr zu passieren.
Wir fahren vorsichtig und langsam unter den Weserbrücken in
Bremen hindurch. Es sieht manchmal knapp aus - doch verlassen wir
uns auf die aktuellen Durchfahrtshöhenangaben der elektronischen
Tafeln an den Brücken. Als wir den Weserpark erreicht haben
und die Weser schon etwas breiter ist, erhöhen wir die Motorendrehzahl,
bleiben aber noch mit 12 kn in Verdrängerfahrt. Die Folge ist,
dass die Elegance mächtige Heckwellen aufwirft. Nach einer
halben Stunde - wir haben den Hafenbereich schon weit achteraus
- fasse ich Mut und erhöhe die Geschwindigkeit auf 16 kn: Die
Elegance gleitet elegant über die Weser, vorbei am Spacecenter
mit der Ariane-Rakete, am Airbus-Werk in Lemwerder. Bei Abeking
Rasmusseb liegt die dort jemals gebaute größte Segelyacht
und gegenüber bei der Lürssen-Werft wird momentan die
größte Motoryacht fertiggestellt. Es ist phantastisch,
die Weser vom Wasser aus zu sehen! Und wir mitten drin auf einer
schnellen, eleganten Yacht! Die Mitarbeiter bei Lürssen bleiben
stehen und schauen uns nach, als wir vorbeirauschen.
Der Containerterminal von Bremerhaven ist von See aus imponierend.
Es ist immer alles in Bewegung: ein- und auslaufende Container-
und Autofrachter, die Containerbrücken, die hin- und herflitzenden
Vancarrier, die Schlepper usw. Niemand schaut auf und hat Zeit,
einer elegant vorbeirauschenden Motoryacht nachzuschauen.
Kurz vor dem Leuchtturm Roter Sand gehen wir auf Kurs Nord ab,
fahren am Leuchtturm "Neue Weser" vorbei, nehmen noch
einige Fahrwassertonnen und halten dann
Kurs auf die Untiefentonne Nordergründe Nord. Von Nordwesten
ziehen dunkle Wolken auf, aber noch ist aus der leichten Brise kein
Sturm geworden. Als wir die Tonne Nordergründe Nord querab
haben, können wir bereits die ersten Tonnen der Elbe sehen
und setzen den Kurs dorthin ab. Von Westen kommt ein Containerfrachter
auf, der vor uns in die Elbe einläuft, und von Norden ein nicht
genau zu identifizierendes Behördenboot.
In der Pantry bereiten wir einen Kaffee zu. Wir haben nun Zeit,
alle Räume unter Deck zu inspizieren und hier und dort Sitz-
und Liegeproben zu machen und meinen: "Eine Woche Urlaub mit
diesem Schiff in der Adria können wir uns schon vorstellen.
Und warum fahren wir da nicht hin?" Als alter Seebär,
der an und auf der Nordsee groß geworden ist, antworte ich:
"Weil es hier viel schöner und spannender ist."
Das habe ich noch nicht ausgesprochen, als ich auf dem weißen
Frachter, der nun querab war, Leute sehe, die winken und gestikulieren.
"Die zeigen nach achtern", sagt Werner, der das Fernglas
genommen hat. Wir drehen uns um und sehen das Behördenboot,
das vor einiger Zeit hinter uns in die Elbe eingelaufen ist. Das
Blaulicht ist eingeschaltet. Wir nehmen Fahrt aus dem Schiff und
warten - wie wir jetzt erkennen - auf das Polizeiboot im Einsatz.
Als es querab ist, werden wir über ein Megaphon gefragt, ob
sie überkommen dürfen. Die Heckklappe geht auf und das
Beiboot wird zu Wasser gelassen. Damit kommen zwei Beamte zu uns
herüber. Der Fahrer steuert das Beiboot hinter uns her.
Die Beamten sind sehr höflich zu uns, kontrollierten die Papiere
und schreiben einen Report über ihren Einsatz, mit der Begründung,
dass ein Binnenschiffer Anzeige erstattet hat, weil wir in der Weser
zu schnell gefahren seien und deshalb bei ihm Wasser ins Vorschiff
geschwappt sei. Dann steigen sie wieder in ihr Beiboot und wünschen
uns eine gute Fahrt und allzeit eine Handbreite Wasser unter dem
Kiel.
Nach dieser Aufregung brauche ich etwas Pause. Ich setze mich in
den Salon und überdenke die ganze Angelegenheit. Die Atmosphäre
im Salon beruhigt mich schnell. Das Rauschen der Heckwelle, das
gleichmäßige Brummen der Motoren, die ruhigen Farben
im Salon und die bequeme Sitzgruppe strahlen Sicherheit und Komfort
aus. Schöner kann eine Seereise nicht sein.
Die Fahrt auf der Elbe ist ein Genuss: Vorbei an der Einfahrt zum
Nord-Ostsee-Kanal, Glückstadt, Wedel mit dem Schulauer Fährhaus,
Blankenese mit den wunderschönen Häusern am Kiekeberg
und Airbus in Finkenwerder. Dann der Hamburger Hafen! Quicklebendig,
aufregend, spannend - voller Leben und Aktivität - und wir
mitten drin!
Um 21.30 Uhr laufen wir an der Kehrwiederspitze in den City Sportboothafen
ein. Der uns zugewiesene Liegeplatz ist auf der Rückseite des
Anlegers, zwischen Steg und dem Hafenkai am Vorsetzen. Langsam schieben
wir uns in die schmale Zufahrt und manövrieren die Elegance
mit den Bug- und Heckstrahlrudern vorsichtig zwischen die dort bereits
liegenden Boote. Wir haben vorne und achtern nur jeweils einen Meter
Platz. Die Fender werden auf passender Höhe festgemacht und
das Schiff liegt pünktlich auf der gewünschten Position.
Das Flair des Hamburger Hafens genießen wir mit einem Bier
entspannt auf dem Achterdeck. Nun freuen wir uns nach einem schönen
und spannenden Tag an Bord einer Elegance Yacht auf die Nachtruhe,
schlafen wie die Murmeltiere in den schönen Kojen und reisen
am nächsten Morgen, als es bereits heftig stürmt, nach
Bremen zurück- immer mit der Hoffnung, bald mal wieder solch
eine elegante Yacht steuern zu können.
Autor: Aloys von Hammel
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